Das
süße
Gift der Sünde * |
Durch ihren Reiz, durch ihre zarte
Hand,
Von der ich noch den sanften Scherz
empfinde,
Durch alles, was an ihr mein Auge fand,
Floß in mein Herz das
süße
Gift der Sünde.
Gleim
Frühling
Hier setze dich, verschämtes
Kind!
Hier ist gut sein, hier laß uns
bleiben,
Wo Lind' und West gesprächig sind,
Und Feld und Wald den Gram vertreiben;
In dieser grünen Einsamkeit,
Wo Bach und Stein und Blätter
rauschen
Soll weder List, Gefahr noch Neid
Den süßen
Frühlingsscherz
belauschen.
Die Schätze deiner keuschen Zucht
Und der noch unberührten Brüste
Sind wahrlich eine seltne Frucht,
Nach der ich innerlich gelüste;
Erschrick nicht vor der schnellen Hand
Und laß sie um den Busen spielen,
Ich führe dich in einen Stand,
Des Lebens Kern und Mark zu fühlen.
Vor was errötest du, mein Lieb?
Ich werde dich nichts Böses lehren,
Du kennst das süße Spiel
noch nicht,
Dein Anblick raubt mir Sehn und
Hören.
Die Liebe wünscht dich in ihr Reich,
Gehorch' ihr doch auf mein Erklären,
Sie wird sich dir, und dies zwar gleich,
Mit aller ihrer Lust gewähren.
Beschau die Werke der Natur,
Betrachte Bäume, Feld und Tiere,
Und lerne, wie der Liebe Spur,
Dich überall zum Scherzen
führe!
Wodurch sind ich und du denn da?
Zu was bist du nebst mir geboren?
Der, so die Welt im Wesen sah,
Hat uns zum Lieben auserkoren!
Johann Christian Günther
An Chloe
Komm, Liebchen! es neigen
Die Wälder sich dir;
Und alles mit Schweigen
Erwartet dich hier.
Der Himmel, ich bitte,
Von Wölkchen wie leer!
Der Mond in der Mitte,
Die Sternlein umher!
Der Himmel im glatten
Umdämmerten Quell!
Dies Plätzchen im Schatten,
Dies andre so hell!
Im Schatten, der Liebe
Dich lockendes Glück;
Dir flüsternd: es bliebe
Noch Vieles zurück.
Es blieben der
süßen
Geheimnisse viel;
So festes Umschließen,
So wonniges Spiel!
Da rauscht es! Da wanken
Auf jeglichem Baum
Die Äste, da schwanken
Die Vögel im Traum.
Dies Wanken, dies Zittern
Der Blätter im Teich —
O Liebe! Dein Wittern!
O Liebe! Dein Reich!
Das Kind
Als mich die Mama
Hänschen küssen sah,
Strafte sie mich ab.
Doch sie lachte ja,
Als ihr der Papa
Heut ein Mäulchen gab.
Warum lehrt sie mich:
„Mädchen!, mach's wie ich!
Sieh, was andre sind!“
Nun ich solches tu',
Schmält sie noch dazu:
Ach, ich armes Kind!
Schwestern, sagt mir's fein!
Ist mir, weil ich klein,
Noch kein Kuß vergönnt?
Seht! ich wachse schon,
Seit des Nachbars Sohn
Mich sein Schätzchen nennt.
Friedrich von Hagedorn
Phidile
Ich war nur sechzehn Sommer alt,
Unschuldig, und nichts weiter,
Und kannte nichts als unsern Wald,
Als Blumen, Gras und Kräuter.
Da kam ein fremder Jüngling her;
Ich hatt' ihn nicht verschrieben,
Und wußte nicht, wohin, woher;
Der kam und sprach vom Lieben.
Er hatte schönes langes Haar
Um seinen Nacken wehen;
So einen Nacken, als das war,
Hab' ich noch nie gesehen!
Sein Auge himmelblau und klar,
Schien freundlich was zu flehen;
So blau und freundlich, als das war,
Hab' ich's noch nie gesehen!
Und sein Gesicht — wie Milch und Blut,
Nie hab' ich's so gesehen;
Und was er sagte, war sehr gut,
Nur konnt' ich's nicht verstehen.
Er ging mir allenthalben nach,
Und küßte mir die Hände;
Bald seufzt' er: O!, bald seufzt' er:
Ach!
Und drückte sie behende.
Ich sah ihn oftmals freundlich an,
Und fragte, was er meinte;
Da fiel der schöne junge Mann
Mir um den Hals, und weinte —
Das hat mir keiner noch getan,
Doch war mir's nicht zuwider,
Und meine beiden Augen sahn
Auf meinen Busen nieder.
Ich sagt' ihm nicht ein einzigs Wort,
Als ob ich's übel nähme,
Kein einzigs — und er flohe fort! —
Wenn er doch wieder käme!
Mathias Claudius
Damöt
Der liebenswürdige Damöt
Fand neulich mich allein
Und klagte, bis des Abends spät,
Mir seiner Liebespein!
Mein höchster Wunsch, sprach er,
bist du...
Es ließ ihm gar zu schön,
Kam mein Mamachen nicht dazu,
So war's um mich geschehn.
Ich wollt' entfliehen, er stand still,
Nachseufzen hört' ich ihn!
Ich blieb: wen Amor halten will,
Kann der denn wohl entfliehen?
Mein höchster Wunsch, sprach er,
bist du...
Es ließ ihm gar zu schön!
Kam mein Mamachen nicht dazu,
So war's um mich geschehn.
Johann Ludwig Wilhelm Gleim
Phyllis an Damon
Ja, liebster Damon, ich bin
überwunden:
Mein Geist empfindet, was er nie
empfunden;
Dein Harm, von dem dein Angesicht
erbleichet,
hat mich erweichet.
Als ich die Hand jüngst, die
dein
Auge deckte,
Vorwitzig fortriß, Himmel, was
erweckte
Dein schönes Auge, voller treuer
Tränen,
mir nicht für Sehnen!
Ich floh und weinte. Wie ward mir
zumute!
Ein heftig Feuer wallte mir im Blute.
Die Flammen werden unaufhörlich
währen,
die mich verzehren.
Komm, treuster Damon, den ich mir
erwähle!
Auf meinen Lippen schwebt mir schon
die Seele,
Um durch die deinen unter Scherz und
Küssen
in dich zu fließen.
Ewald von Kleist
Komm ebenfalls und bilde
Phyllis' Lachen,
Cythere, gib ihr Unterricht;
Denn Phyllis weiß die Kunst,
verliebt
zu machen,
Die leichte Kunst zu lieben, weiß
sie nicht.
An eine Schläferin
Erwache, schöne Schläferin,
Falls dieser Kuß nicht zu
bestrafen;
Doch, wenn ich dir zu zärtlich
bin,
Schlaf, oder scheine mir zu schlafen.
Die Unschuld, die nur halb erwacht,
Wenn Lieb' und Wollust sie erregen,
Hat öfters manchen Traum vollbracht,
Den Spröde sich zu wünschen
pflegen.
Was du empfindest ist ein Traum;
Doch kann ein Traum so schön
betrügen?
Gibst du der Liebe selbst nicht Raum,
So laß dich dann ihr Bild
vergnügen.
Friedrich von Hagedorn
An Rosettens Blicken hangend,
Schmachtend, seufzend und verlangend,
Fleh' ich mit vergebner Müh':
Kannst du ewig meinen Klagen,
Meinen Tränen dich versagen?
Lohnst du meine Treue nie?
Aber immer unbeweglich
Hört das kalte Mädchen
täglich
Meine Seufzer an und spricht:
Hoffnung nährt allein die Liebe!
Glaub', ich teilte deine Triebe,
Wünscht' ich ihre Dauer nicht!
Der blöde Damon
Mein blöder Damon seufzt nur
immer,
Spricht immer nur von seiner Qual.
Will immer wagen, waget nimmer;
Er wage doch einmal!
Johann Ludwig Wilhelm Gleim
Die versöhnte Daphne
Im schatten einer alten Eiche
Saß Daphne, da die Sonne wich;
Als in dem einsamen Gesträuche
Myrtill sich ihr zur Seite schlich.
Er will den Lilienhals umfassen,
Der seinen Küssen sich entzieht.
Nichts, leider! wird ihm zugelassen:
Sie rafft sich zornig auf und flieht.
Was wird von Schönen uns
versaget,
Das kühne Schalkheit nicht
erpreßt?
Da Daphne flieht und fliehend klaget,
Hält ihr Myrtill sie schmeichelnd
fest.
Myrtill erzwingt von Daphne
Küsse,
Die ihre Hand nur schwach bekämpft:
Denn ach! ein Kuß ist viel zu
süße!
Ein Kuß hat manchen Zwist
gedämpft.
Sie schlägt die Augen schamrot
nieder:
Das blöde Mädchen tut sich
Zwang
Und eifert auf gewisse Lieder,
Die jüngst Myrtill der Chloe sang.
Doch, fährt sie fort, um dir zu
zeignen,
Daß ich mit dir nicht zürnen
will,
Ich will zu neuem Frevel schweigen;
Küss' immer noch einmal, Myrtill!
Johann Peter Uz
An Phyllis
Phyllis, unter diesen Buchen
Will ich junge Veilchen suchen.
Komm und suche sie mit mir!
Müssen wir in finstern Gründen
Lange suchen, sie zu finden,
Dann so ruh' ich auch mit dir.
Johann Ludwig Wilhelm
Gleim
Ein Traum
O Traum, der mich
entzücket!
Was hab' ich nicht erblicket!
Ich warf die müden Glieder
In einem Tale nieder.
Wo einen Teich, der silbern floß,
Ein schattiges Gebüsch
umschloß.
Da sah ich durch die
Sträuche
Mein Mädchen bei dem Teiche.
Das hatte sich, zum Baden
Der Kleider meist entladen
Bis auf ein untreu weiß Gewand,
Das keinem Lüftchen widerstand.
Der freien Busen lachte,
Den Jugend reizend machte.
Mein Blick blieb lüstern stehen
Bei diesen regen Höhen,
Wo Zephyr unter Lilien blies
Und sich die Wollust greifen ließ.
Sie fing nun an, o
Freuden!
Sich vollends auszukleiden:
Doch eh es noch geschiehet,
Erwach' ich und sie fliehet.
O, schlief ich doch von neuem ein!
Nun, wird sie wohl im Wasser sein.
Die Geliebte
Die ich mir zum Mädchen
wähle
Soll von aufgeweckter Seele,
Soll von schlanker Länge sein.
Sanfte Güte, Witz im Scherze,
Rührt mein Herze;
Nicht ein glatt Gesicht allein.
Allzujung taugt nur zum Spielen!
Fleischigt sei sie anzufühlen,
Und gewölbt die weiße Brust.
Die Brünette soll vor allen
Mir gefallen:
Sie ist dauerhaft zur Lust.
Setzt noch unter diese Dinge,
Daß sie artig tanz' und singe:
Welches Mädchen ist ihr gleich?
O, ihr Mädchenkenner! saget:
Wer's erjaget,
Hat der nicht ein Königreich?
Johann Peter Uz
(Ouvres de Clement
Marot,
chanson 24)
Belinde
Das letztere leichtflatternde Gewand
Sank; welch ein Blick! die artige Belinde
Ward um und um ein Spiel der sanften
Winde,
Wo sie, wie Venus einst auf Ida stand.
Durch ihren Reiz, durch ihre zarte
Hand,
Von der ich noch den sanften Scherz
empfinde,
Durch alles, was an ihr mein Auge fand,
Floß in mein Herz das
süße
Gift der Sünde.
Erstaunt, entzückt, mir selber
unbewusst,
Bemächtigte sich die Gewalt der
Sinnen
Ach, allzubald der Tugend meiner Brust.
Du, der du sagst: Ich will den Sieg
gewinnen,
Ach laß doch nie das
süße
Gift der Lust,
Laß es doch nie nach deinem Herzen
rinnen!
Johann Ludwig Wilhelm Gleim
An die Laura
Der schwüle Tag hat sich
verloren,
Die Nacht ist hier:
O, Laura! Was dein Mund geschworen,
Das halte mir.
Sieh jenes Dach von
Rebenblättern,
Wo niemand lauscht,
Wo du mit mir, vor allen Göttern,
Dein Herz vertauscht.
In diese Laube laß uns
schleichen,
Die Venus schützt,
Auf der (für uns zum guten Zeichen!)
Ihr Vogel sitzt.
Dann blicke Luna nach uns beiden
Von ihrem Thron,
Und seufze bei so viele Freuden:
Endymion!
Johann Nikolaus Götz
Auf Henriettens Brautbett
Sei immer stolz, beglücktes
Bette!
Du hast das Herz der schönen
Henriette;
Dich auszuschmücken ist ihr ganzer
Geist bedacht.
Ihr muntrer Finger weilt auf deinem
seidnen Rücken
Ein lebend Blumenfeld mit seltner Kunst
zu sticken:
Mich aber nimmt sie nicht an ihrer Seit'
in acht.
Doch jauchze nicht, daß sie dir
jetzt den Vorzug gibet!
Daß sie so staunend sitzt,
beweiset,
daß sie liebet;
Und daß sie dich so schmückt,
beweist, sie liebet mich.
Ich leugne nicht, ich muß dich
jetzt beneiden:
Doch kömmt die Zeit, da du mich
auch beneiden mußt,
Wenn du, jetzt Zeugin meiner Leiden,
Einst Zeugin wirst von meiner Lust.
Johann Nikolaus Götz
Gute Nacht
Gute Nacht!
Liebchen sieh, mit goldner Pracht
Rings umkränzt vom Heer der Sterne,
Blickt der Mond aus blauer Ferne
Traulich lächelnd auf uns zu:
Gute Nacht und süße Ruh'!
Gute Nacht!
Liebchen, ach wie schön vollbracht,
Unter Scherz und Tanz und Singen
Flog der Tag auf goldnen Schwingen
Den verschwundnen Tagen zu!
Gute Nacht und süße Ruh'!
Gute Nacht!
Wie mich das so fröhlich macht,
Daß ich weiß, du bist die
Meine,
Daß ich weiß, ich bin der
Deine,
Du und ich, und ich und du!
Gute Nacht und süße Ruh'!
Gute Nacht!
Gute Nacht!
Liebchen, ruft mich bald die Nacht,
Dir am Busen zu erwarmen?
Ach, wann schließt in meinen Armen
Sich dein blaues Auge zu?
Gute Nacht und süße Ruh'!
Siegfried August Mahlmann
Der Morgen
Auf! auf! weil schon Aurora lacht;
Ihr Gatten junger Schönen!
Ihr müßt nunmehr nach fauler
Nacht,
Dem Gott der Ehe frönen.
Erneuert den verliebten Zwist,
Der süßer als die Eindracht
ist,
Nach der sich Alte sehnen.
Ist's möglich, daß,
geweckt
von Lust,
Ein gatte nicht erwache?
Daß eine nahe Lilienbrust
Ihn nicht geschäftig mache?
Indes schwebt um der Gattin Haupt
Der Morgentraum, mit Mohn umlaubt;
Ihr träumt von eitel Rache.
Dort wo Cytherens waches Kind
Den schlaf vom Bette scheuchet,
Dort rauscht's, wie mann ein Morgenwind
Bethautes Laub durchstreichet.
Dort lauscht auch meine Muse nun,
Die, wie die Mädchen alle tun,
Verliebte gern beschleichet.
Der Vorhang weicht: welch reizend
Weib!
Ich sehe Venus liegen,
Und leichten Flor den Marmorleib
Verräterisch umfliegen.
Wie sucht ihr Blick, der kriegrisch
glüht,
Wie sucht er, wenn der Streit verzieht,
Streit, Gegner und Vergnügen.
Du itzo noch verliebtes Paar,
Was mangelt deinem Glücke?
Ich werde, selbst entzückt, gewahr,
Daß Hymen auch entzücke.
Die Muse sieht hinweg und weicht:
Doch manchmal und verstohlen schleicht
Ein halber Blick zurücke.
Johann Peter Uz
Vier Gedichte Christian Gottlob Stöckels, Stadtsekretärs zu Brieg und der Deutschen Gesellschaft zu Frankfurt an der Oder Mitglieds (Breßlau, verlegts Daniel Pietsch, Buchhändler, 1748)
Als sich Leonore im Gebirge
aufhielt...
(Leonore Winkler, die
Braut des Dichters)
Dir, entlegnes Wederau,
Will ich meine Lorchen gönnen:
Weil ich deinen Fluren trau',
Daß sie sie zwar reizen
können,
Aber daß auch ihre Treu'
Vor Versuchung sicher sei.
Sicher? Nein, ich irre mich,
Nein, du artige Lorette!
Keiner Gegend trau' ich dich:
Daß ich nichts zu fürchten
hätte,
Weil ein jeder, der dich sieht,
Sich um deine Gunst bemüht.
Deine reizende Gestalt...
Macht ein jedes Mannsbild lüstern.
Und gesetzt, dein Aufenthalt
Wäre bei den frömmsten
Priestern:
O, die rege Zärtlichkeit
Trägt auch oft ein schwarzes Kleid.
Euch' ein unbewohntes Land!
Zeuch in wilde Wüsteneien!
Auch dein Eremitenstand
Wird mich nicht der Furcht befreien:
Daß vielleicht ein Pilgersmann
Deine Zell' entdecken kann.
Wirf den hellen Demantstein
In die finstersten Gewölber:
Dennoch wird er kennbar sein,
Denn sein Glanz verrät sich selber.
So verbirgt kein Ort noch Zeit
Deiner Anmut Seltenheit.
Dir, berufener Rübenzahl,
Schutzgott jener Riesenspitzen,
Dir befehl' ich, Berg und Tal,
Wald und Felder zu beschützen,
Wo sich mein entferntes Kind
Jetzund ohne mich befindt.
Gibt sich ein Verliebter Müh'
Sie zur Untreu' zu verführen,
So bewach' und schütze sie,
Daß sie keine Seufzer rühren.
Und zerschmettre dessen Haupt,
Welcher mir ihr Herze raubt.
Seh' ich nach bestimmter Zeit
Schlesiens Gefilde wieder,
Ätz' ich dir zur Dankbarkeit
Tausend wundervolle Lieder
In den härtsten Marmorstein
Des erhabnen Zotens ein.
Doch getreue Winklerinn!
Brauch' ich dich wohl zu bewachen?
Nein, dein tugendhafter Sinn
Kann dich selber sicher machen.
Deine Redlichkeit allein
Wird dein strengster Wächter sein.
Christian Gottlob Stöckel
An Leonoren
(Frankfurt a. d. O., den
12. Mai 1743)
Streicht, ihr sanften Abendwinde!
Nach dem edlen Breslau hin,
Meldet dem verlaßnen Kinde,
Meldet meiner Winklerin:
Meldet ihr, daß Stöckels
Liebe
Zwar geschieden, doch getreu
Und daß ihrem zarten Triebe
Kein Entfernen schädlich sei.
Sagt, was mein gerechtes Sehnen
Vor gesalznes Wasser zieht,
Wie mein Auge voller Tränen
Schlesien von ferne sieht:
Wenn ich bei den grünen Kiefern
Auf des nächsten Berges Höh',
Ihr so Kuß als Blick zu liefern,
Traurig auf und nieder geh.
Seht ihr, daß auch ihr Verlangen
Nicht die Tränen bergen kann:
O, so haucht die nassen Wangen
Mit gelindem Sausen an.
Trocknet den gesalzten Regen,
Den die treue Wehmut reizt:
Daß sein Guß nicht
meinetwegen
Die so zarte Haut durchbeizt.
Sprecht: Lorette, sei zufrieden!
Fleuch, was deine Brust betrübt.
Ist dein Stöckel gleich geschieden:
Gnug, daß er dich redlich liebt.
Schone doch die schönen Glieder,
Lorchen! schone sie für ihn:
Denn er kehrt in kurzem wieder,
Und die Zeit wird eilend fliehn.
Schau! so red' ich mit den Winden,
Ob sie mich gleich nicht verstehn,
Und ohn' einziges Empfinden
Durch die weiten Täler gehn.
Schau! so denkt mein treues Herze
Bei verlassner Einsamkeit,
Da das Schicksal meinem Schmerze
Keinen andern Trost verleiht.
In die Rinde glatter Bäume
Schneid' ich deinen Namen ein,
Da die beigefügten Reime
Deiner Liebe Denkmal sein.
Rauschen nun die grünen Wipfel
Von der sanft bewegten Luft,
Frag' ich oft des Berges Gipfel,
Ob mich deine Stimme ruft.
Vielmal ruf ich: Leonore!
Da denn durch den dichten Wald
Meinem zwar betrognen Ohre
Leonore widerschallt.
Leonore! ruf ich wieder,
Trifft mein heißes Wünschen
ein?
Doch die Hoffnung sinkt bald nieder,
Denn der Widerschall spricht: Nein.
Zwar ich seh' schon durch dir Tannen
Des gehörnten Mondes Licht:
Wohl, so eil' ich denn von dannen,
Denn der Schließer wartet nicht.
Doch noch eines, eh ich scheide,
Gib, o Kind! in Breslau acht:
Du, die ich so schmerzlich meide,
Leonore, gute Nacht!
Christian Gottlob Stöckel
Die verstellte Sprödigkeit
des
schönen Geschlechts
(Ein Hochzeitsgedicht)
Ja, Schönen! unser
Weltgebäude
Wird zeitig ohne Menschen sein:
Geht ihr nach dem gemeinen Eide
Kein zartes Liebesbündnis ein.
Doch nein, ihr Spröden,
schwört
nur immer,
Als rührt euch Amors Reizung nicht:
Man weiß, wie leicht ein
Frauenzimmer
Dergleichen eitle Schwüre bricht.
Verbergt das innerliche Feuer
Nach eurer ausgelernten Kunst;
Bezeigt euch gegen jeden Freier,
Als rührt' euch keine Gegengunst.
Gefällt euch auch bisweilen einer,
So unterdrückt den stillen Brand;
Und sprecht: Mich überredt schon
keiner,
Ich wähle mir den Nonnenstand.
Alsdann singt lauter Klosterlieder
Und stellt' euch so empfindlich an,
Als wär' euch jedes Wort zuwider,
Das euch zur Liebe reizen kann.
Vergleicht den Ehstand mit der
Hölle,
Verflucht den kleinen Cypripor,
Und malt uns die verschloßne Zelle
Vergnügter als den Himmel vor.
Was gilt's, ihr werdet anders denken,
Als ihr uns überreden wollt?
Was gilt's, es mag euch heimlich
kränken
Wenn ihr zu lange warten sollt?
Kein kluges Mannsbild kann euch glauben:
Warum? ihr laßt euch doch zuletzt
Die Freiheit mit Vergnügen rauben,
So hoch ihr sie mit Worten schätzt.
Zwar manche trotzt so lang im Scherze,
Bis sie im Ernste sitzen bleibt,
Und ihr sonst aufgeblähtes Herze
Die Nachreu zur Verzweiflung treibt.
Da fühlt sie denn ein heißes
Sehnen
Nach der umsonst verstrichnen Zeit,
Und flucht mit tausend bittern
Tränen
Der angenommnen Sprödigkeit.
Sie tritt vor den geschliffnen
Spiegel,
Und sieht mit allzuspäter Reu,
Daß die Gestalt nicht ohne Flügel,
Sie aber ohne Reizung sei.
Da seufzt sie: Könnt' ich jetzt erfahren,
Was das erhitzte Fleisch und Blut
In feuerreichen Jugendjahren
Für angenehme Wirkung tut.
Zu spät, du selbstbetrogene
Dirne!
Die Farbe deiner schlaffen Haut
Und deine runzelvolle Stirne
Macht dich jetzund nicht mehr zur Braut.
Geruch und Auge schätzt die Nelken
Solange sie vollkommen blühn:
Wenn aber ihre Blätter welken,
Wen wird ihr Anblick nach sich ziehn?
Du magst dich noch so feste
schnüren,
Ein welker Apfel schmeckt uns nicht,
Dein matter Blick wird keinen rühren,
Indem ihm Glut und Reiz gebricht.
Und kriechst du in die schönsten Kleider,
Und trägst sie nach der neusten Dracht:
Hier fragt man nicht, wie dich der Schneider,
Nein, wie dich die Natur gemacht.
An die Phyllis
Phyllis, bist du denn vergebensChristian Gottlob
Stöckel
Die schlafende Laura
Nachlässig hingestreckt,
Die Brust mit Flor bedeckt,
Der jedem Lüftchen wich,
Das säuselnd ihn durchstrich,
Ließ unter jenen Linden
Mein Glück mich Lauren finden.
Sie schlief, und weit und breit
Schlug jede Blum' ihr Haupt zur Erden,
Aus mißvergnügter Traurigkeit,
Von Lauren nicht gesehn zu werden.
Sie schlief, und weit und breit
Erschallten keine Nachtigallen
Aus weiser Furchtsamkeit,
Ihr minder zu gefallen,
Als ihr der Schlaf gefiel,
Als ihr der Traum gefiel,
Den sie vielleicht jetzt träumte,
Von dem, ich hoff' es, träumte,
Der staunend bei ihr stand,
Und viel zu viel empfand,
Um deutlich zu empfinden,
Um noch es zu empfinden,
Wie viel er da empfand.
Ich ließ mich sanfte nieder,
Ich segnete, ich küßte sie,
Ich segnete, und küßte wieder:
Und schnell erwachte sie.
Schnell taten sich die Augen auf.
Die Augen? — nein, der Himmel tat sich
auf.
Lessing
Mein frommes Mädchen...
Mein frommes Mädchen
ängstigt
sich,
Wenn ich zu viel verlange.
Die Angst der Armen macht, daß
ich
Von Herzen mir erbange.
Schwebt unversucht alsdann vor mir
Der Wollust süße Angel,
So härmt sie sich noch ärger
schier
Und wähnet Liebesmangel.
So, hier und dort gebracht in Drang,
Ersticken unsre Freuden.
O Liebe, löse diesen Zwang
An einem von uns beiden!
Gib, daß sie mich an Herz und
Sinn
Zum Heiligen bekehre,
Wo nicht, daß sie als Sünderin
Des Sünders Wunsch erhöre!
Gottfried August Bürger
Abendphantasie eines Liebenden
In weiche Ruh' hinabgesunken,
Unaufgestört von Harm und Not,
Vom süßen Labebecher trunken,
Den ihr der Gott des Schlummers bot,
Wohl eingelullt vom Abendliede
Der wachen Freundin Nachtigall
Schläft meines Herzens Adonide
Nun ihr behaglich Schläfchen all.
Wohlauf, mein liebender Gedanke,
Wohlauf, zu ihrem Lager hin!
Und webe gleich der Eppichranke,
Dich um die traute Schläferin!
Geneuß der
übersüßen
Fülle
Von aller Erdenseligkeit,
Wovon zu kosten noch ihr Wille,
Und ewig ach! vielleicht verbeut! ...
Ahi! da hör' ich das
Gesäusel
Von ihrem Schlummerodem wehn;
Wie Schmeichellüftchen durchs
Gekräusel
Des Maienlaubes leise gehn.
Ahi! da hör' ich das Gestöhne,
Das Wollust aus dem Busen
stößt;
Wie Bienensang und Schilfgetöne,
Wenn Abendwind dazwischen bläst.
O, wie so schön dahingegossen
Umleuchtet sie des Mondes Licht!
Die Blumen der Gesundheit sprossen
Auf ihrem wonnigen Gesicht.
Die Arme liegen ausgeschlagen,
Als wollten sie, mit Innigkeit,
Um den den Liebesknoten schlagen,
Dem sie im Traume ganz sich weiht. —
Nun kehre wieder! Nun entwanke
Dem Wonnebett! du hast genug!
Sonst wirst du trunken, mein Gedanke,
Sonst lähmt der Taumel deinen Flug.
Du loderst auf in Durstesflammen! —
Ha! wirf ins Meer der Wonne dich!
Schlagt, Wellen, über mich zusammen!
Ich brenne! brenne! kühlet mich!
Gottfried August Bürger
Die beiden Liebenden
Ein andrer werb um Ehr' und Gold!
Ich werb um Wollust bei Selinden.
Mich kann nur süßer Minnesold
An allgetreue Dienste binden.
Das Glück läßt manchen
Ehrenmann
In seinem Dienst umsonst verderben;
Allein bei trauter Minne kann
Der Hirt auch sichern Sold erwerben.
Ich bin kein großer reicher Herr
Und sie ist keine hohe Dame.
Dagegen klingt viel reizender
Ein kurzer schäferlicher Name.
Dagegen herzen wir uns frei,
Sind sicher vor Verrätertücken,
Auch schielet keine Spötterei,
Wann wir uns Knie und Hände
drücken.
Der Prunk der hochstaffierten Kunst,
Selbst die Natur im Feierkleide
Erbuhlen selten meiner Gunst;
Denn sie beschämt an Reizen beide.
Das tausendstimmige Konzert
Der Lerchen und der Nachtigallen
Ist mir kaum halb so lieb und wert,
Wann ihre Solotriller schallen.
Im Denken ist sie Pallas ganz
Und Juno ganz am edlen Gange,
Terpsichore beim Freudentanz,
Euterpe neidet sie im Sange;
Ihr weicht Aglaja, wann sie lacht,
Melpomene bei sanfter Klage,
Die Wollust ist sie in der Nacht,
Die holde Sittlichkeit bei Tage.
Des Morgens, welch ein Malerbild!
Wallt sie hervor in leichtem Kleide,
Noch ungeschnürt und halb
verhüllt
Nur in ein Mäntelchen von Seide.
Entringelt auf die Schulter sinkt
Die Hälfte goldner Locken nieder.
Wie dann ihr rasches Auge blinkt,
So blinkt das Licht aus Quellen wieder.
Natur und Einfalt helfen ihr,
An ihrem kleinen Morgentischchen.
Des Busens und des Hauptes Zier
Sind Ros' und Myrt' in einem
Büschchen.
Zu ihren Wangen wurde nie
Ein Pinsel in Karmin getauchet;
Und doch, wie Rosen blühen sie,
Von Frühlingsodem aufgehauchet.
Wann sie an ihrem Tischchen sitzt,
So werd' ich scherzend hingewinket:
„Komm, schmücke selbst dein
Mädchen
itzt,
Wie deiner Laun' am besten dünket!“
Und mich beflügelt ihr Gebot,
Sie unvermutet zu umfangen.
Dann schminkt mit hohem Morgenrot
Mein Kuß die jugendlichen Wangen.
Ihr Haar im Nacken reizet mich
Zu hundert kleinen Torenspielen.
Fast nimmer müde läßt
es sich
In diesen seidnen Locken wühlen.
Sie äugelt nach dem Spiegel hin,
Und lauschet meine Neckereien.
Sie schilt, daß ich ein
Tändler
bin,
Und freut sich doch der Tändeleien.
Drauf leg' ich ihr die
Schnürbrust
an.
Vor Wonne beben mir die Hände.
Das Band zerreißt, so oft es kann,
Damit die Arbeit später ende.
Wie flink bin ich nicht stets bereit,
So liebe Dienste zu verrichten!
Doch flinker noch zur Abendzeit,
Das Werk des Morgens zu zernichten.
Nun schlinget meine kühne Hand —
O Liebe, Liebe, welche Gnade! —
Ein sanft geflammtes Rosenband
Ihr zierlich zwischen Knie und Wade.
Wie mir das Blut zu Herzen stürzt!
Nicht schöner wies sie Atalante,
Da sie ums Jawort, hochgeschürzt,
Mit ihren Freiern wetterannte.
Nun schwebt die Grazie vor mir,
Schlägt mit den
Silberfüßchen
Triller,
Und tanzet hin an das Klavier
Und singt ein Lied, nach Weiß,
von Miller.
Mit welcher Wollustfülle schwellt
Mein Herz der Zauber ihrer Kehle!
Hinweg aus aller Gotteswelt,
Gen Himmel singt sie meine Seele.
Der Morgen eilt, man weiß nicht
wie?
Zur Mahlzeit ruft die Küchenschelle.
Ihr gegenüber, Knie an Knie,
Und Fuß an Fuß, ist meine
Stelle.
Hier treiben wir's wie froh und frei!
Uns fesselt kein verwünschter
Dritter.
Die beste Fürstenschmauserei
Ist gegen solch ein Schmäuschen
bitter.
Selinde schenkt mir Nektar ein,
Erst aber muß sie selber nippen.
Hierauf kredenzet sie den Wein
Mit ihren süßen Purpurlippen.
Der Pfirsich, dessen zarter Flaum
Ihr reiner Perlenzahn verwundet,
Wie lüstern macht er Zung' und
Gaum'!
Wie süß mir dieser Pfirsich
mundet!
Nach Tische läßt auf ihrer
Brust
Mein hingesunknes Haupt sich wiegen.
Von Wein berauschet und von Lust,
Will schier die Sprache mir versiegen.
Ein volles Herz gibt wenig Klang;
Das leere klingt aus allen Tönen.
Sie fühlet dennoch seinen Drang;
Und ach! versteht sein stummes Sehnen.
Jetzt wird Selinden bang ums Herz —
Ein Mädchen ist ein banges Wesen.
Sie reichet mir, aus losem Scherz,
Verwirrten Zwirn, ihn aufzulösen.
Zwar findet sie mich ungeschickt,
Doch sucht sie mich nur hinzuleiern.
O List! Indem sie her sich bückt,
Muß sich ihr Busen selbst
entschleiern.
Ein schlauer Blick wird hingewandt;
Allein der Dieb läßt sich
betreten.
Ein Streich von ihrer weichen Hand
Rächt auf der Stell' ihr
Schamerröten.
Dann rückt sie weg und spricht
nicht mehr;
Bedeckt ihr Auge; macht die Blinde;
Lauscht aber durch die Finger her,
Ob ich die Kränkung wohl empfinde?
Dann spiel' ich einen Augenblick,
Doch nur verstellt, den
Tiefbetrübten;
Und sie, o Wonne! springt zurück,
Versöhnt sich mit dem Vielgeliebten!
Umhalset ihn, weiß nicht genug
Mit süßen Namen ihn zu nennen,
Und Mund und Wange, die sie schlug,
Fühlt er von tausend Küssen
brennen.
Wohl hundert Launen, kraus und hold,
Umflattern täglich meine Traute.
Bald singt und lacht, bald weint und
schmollt,
Bald klimpert sie auf ihrer Laute,
Tanzt hin und wieder, blitzgeschwind,
Bringt bald ein Büchelchen, bald
Karten,
Bald streut sie alles in den Wind,
Und eilt hinunter in den Garten.
Ich hinterher, ereile sie
In einer sichern, stillen Grotte.
Freund Amor treibt, sie weiß nicht
wie?
Sie tief ins Dunkel. Dank dem Gotte!
Sie bebt von meinem Arm umstrickt,
Mein Kuß erstickt ihr letztes
Lallen.
Sie sinkt. Ich halte sie entzückt,
Und — halt! — und lasse sie nicht fallen.
Gottfried August Bürger
Der Besuch
Meine Liebste wollt' ich heut
beschleichen,
Aber ihre Türe war verschlossen.
Hab' ich doch den Schlüssel in
der Tasche!
Öffn' ich leise die geliebte
Türe!
Auf dem Saale fand ich nicht das
Mädchen,
Fand das Mädchen nicht in ihrer
Stube,
Endlich, da ich leis' die Kammer
öffne,
Find' ich sie gar zierlich eingeschlafen,
Angekleidet auf dem Sofa liegen.
Bei der Arbeit war sie eingeschlafen;
Das Gestrickte mit den Nadeln ruhte
Zwischen den gefaltnen zarten
Händen;
Und ich setzte mich an ihre Seite,
Ging bei mir zu Rat, ob ich sie weckte.
Da betrachtet' ich den schönen
Frieden,
Der auf ihren Augenlidern ruhte:
Auf den Lippen war die stille Treue,
Auf den Wangen Lieblichkeit zu Hause,
Und die Unschuld eines guten Herzens
Regte sich im Busen hin und wieder.
Jedes ihrer Glieder lag gefällig
Aufgelöst vom süßen
Götterbalsam.
Freudig saß ich da, und die
Betrachtung
Hielte die Begierde, sie zu wecken,
Mit geheimen Banden fest und fester.
O, du Liebe, dacht' ich, kann der
Schlummer
Der Verräter jedes falschen Zuges,
Kann er dir nicht schaden, nichts
entdecken,
Was des Freundes zarte Meinung
störte.
Deine holden Augen sind geschlossen,
Die mich offen schon allein bezaubern;
Es bewegen deine süßen Lippen
Weder sich zur Rede noch zum Kusse;
Aufgelöst sind diese Zauberbande
Deiner Arme, die mich sonst umschlingen,
Und die Hand, die reizende Gefährtin
Süßer Schmeicheleien,
unbeweglich.
Wär's ein Irrtum, wie ich von dir
denke,
Wär' es Selbstbetrug, wie ich dich
liebe,
Müßt ich's jetzt entdecken,
da sich Amor
Ohne Binde neben mich gestellet.
Lange saß ich so und freute
herzlich
Ihres Wertes mich und meiner Liebe;
Schlafend hatte sie mir so gefallen,
Daß ich mich nicht traute, sie
zu wecken.
Leise leg' ich ihr zwei Pomeranzen
Und zwei Rosen auf das Tischchen nieder;
Sachte, sachte schleich' ich meiner
Wege.
Öffnet sie die Augen, meine Gute,
Gleich erblickt sie diese bunte Gabe,
Staunt, wie immer bei verschlossnen
Türen
Dieses freundliche Geschenk sich finde.
Seh' ich diese Nacht den Engel wieder,
O, wie freut sie sich, vergilt mir
doppelt
Dieses Opfer meiner zarten Liebe.
Goethe
Brautnacht
Im Schlafgemach, entfernt vom Feste,
Sitzt Amor dir getreu und bebt,
Daß nicht die List mutwill'ger
Gäste
Des Brautbetts Frieden untergräbt.
Es blinkt mit mystisch heil'gem Schimmer
Vor ihm der Flammen blasses Gold;
Ein Weihrauchswirbel füllt das
Zimmer,
Damit ihr recht genießen sollt.
Wie schlägt dein Herz beim
Schlag
der Stunde,
Der deiner Gäste Lärm verjagt;
Wie glühst du nach dem schönen
Munde,
Der bald verstummt und nichts versagt!
Du eilst, um alles zu vollenden
Mit ihr ins Heiligtum hinein;
Das Feuer in des Wächters
Händen
Wird, wie ein Nachtlicht, still und
klein.
Wie bebt vor deiner Küsse Menge
Ihr Busen und ihr voll Gesicht!
Zum Zittern wird nun ihre Strenge,
Denn deine Kühnheit wird zur
Pflicht.
Schnell hilft dir Amor, sie entkleiden,
Und ist nicht halb so schnell als du;
Dann hält er schalkhaft und
bescheiden
Sich fest die beiden Augen zu.
Goethe