Hieronder volgt de transcriptie van een boekwerkje met een bloemlezing van 18e eeuws romantisch dichtwerk. Gleim, Goethe, Uz, Lessing, etc.  Met de lithographieën van Fritzi Löw. Geredigeerd door Victor Fleischer, uitgegeven door Kunstverlag Anton Schroll & Co., Wenen, ergens rond 1912.

Lithographie Fritzi Löw — Engel

Das süße Gift der Sünde
Eine Arznei für alle, so ihrer bedürfen, kredenzt in schönen Gefässen des 18. Säkulums.

*
Mit 12 farbigen Originallithographien und Buchschmuck von Fritzi Löw
*
Kunstverlag Anton Schroll & Co.
G. m. b. H in Wien


Durch ihren Reiz, durch ihre zarte Hand,
Von der ich noch den sanften Scherz empfinde,
Durch alles, was an ihr mein Auge fand,
Floß in mein Herz das süße Gift der Sünde.

Gleim


Lithographie Fritzi Löw — Frühling

Frühling

Hier setze dich, verschämtes Kind!
Hier ist gut sein, hier laß uns bleiben,
Wo Lind' und West gesprächig sind,
Und Feld und Wald den Gram vertreiben;
In dieser grünen Einsamkeit,
Wo Bach und Stein und Blätter rauschen
Soll weder List, Gefahr noch Neid
Den süßen Frühlingsscherz belauschen.

Die Schätze deiner keuschen Zucht
Und der noch unberührten Brüste
Sind wahrlich eine seltne Frucht,
Nach der ich innerlich gelüste;
Erschrick nicht vor der schnellen Hand
Und laß sie um den Busen spielen,
Ich führe dich in einen Stand,
Des Lebens Kern und Mark zu fühlen.

Vor was errötest du, mein Lieb?
Ich werde dich nichts Böses lehren,
Du kennst das süße Spiel noch nicht,
Dein Anblick raubt mir Sehn und Hören.
Die Liebe wünscht dich in ihr Reich,
Gehorch' ihr doch auf mein Erklären,
Sie wird sich dir, und dies zwar gleich,
Mit aller ihrer Lust gewähren.

Beschau die Werke der Natur,
Betrachte Bäume, Feld und Tiere,
Und lerne, wie der Liebe Spur,
Dich überall zum Scherzen führe!
Wodurch sind ich und du denn da?
Zu was bist du nebst mir geboren?
Der, so die Welt im Wesen sah,
Hat uns zum Lieben auserkoren!

Johann Christian Günther


An Chloe

Komm, Liebchen! es neigen
Die Wälder sich dir;
Und alles mit Schweigen
Erwartet dich hier.

Der Himmel, ich bitte,
Von Wölkchen wie leer!
Der Mond in der Mitte,
Die Sternlein umher!

Der Himmel im glatten
Umdämmerten Quell!
Dies Plätzchen im Schatten,
Dies andre so hell!

Im Schatten, der Liebe
Dich lockendes Glück;
Dir flüsternd: es bliebe
Noch Vieles zurück.

Es blieben der süßen
Geheimnisse viel;
So festes Umschließen,
So wonniges Spiel!

Da rauscht es! Da wanken
Auf jeglichem Baum
Die Äste, da schwanken
Die Vögel im Traum.

Dies Wanken, dies Zittern
Der Blätter im Teich —
O Liebe! Dein Wittern!
O Liebe! Dein Reich!

Johann Georg Jacobi


Das Kind

Als mich die Mama
Hänschen küssen sah,
Strafte sie mich ab.
Doch sie lachte ja,
Als ihr der Papa
Heut ein Mäulchen gab.

Warum lehrt sie mich:
„Mädchen!, mach's wie ich!
Sieh, was andre sind!“
Nun ich solches tu',
Schmält sie noch dazu:
Ach, ich armes Kind!

Schwestern, sagt mir's fein!
Ist mir, weil ich klein,
Noch kein Kuß vergönnt?
Seht! ich wachse schon,
Seit des Nachbars Sohn
Mich sein Schätzchen nennt.

Friedrich von Hagedorn

Lithographie Fritzi Löw — Das Kind


Phidile

Ich war nur sechzehn Sommer alt,
Unschuldig, und nichts weiter,
Und kannte nichts als unsern Wald,
Als Blumen, Gras und Kräuter.

Da kam ein fremder Jüngling her;
Ich hatt' ihn nicht verschrieben,
Und wußte nicht, wohin, woher;
Der kam und sprach vom Lieben.

Er hatte schönes langes Haar
Um seinen Nacken wehen;
So einen Nacken, als das war,
Hab' ich noch nie gesehen!

Sein Auge himmelblau und klar,
Schien freundlich was zu flehen;
So blau und freundlich, als das war,
Hab' ich's noch nie gesehen!

Und sein Gesicht — wie Milch und Blut,
Nie hab' ich's so gesehen;
Und was er sagte, war sehr gut,
Nur konnt' ich's nicht verstehen.

Er ging mir allenthalben nach,
Und küßte mir die Hände;
Bald seufzt' er: O!, bald seufzt' er: Ach!
Und drückte sie behende.

Ich sah ihn oftmals freundlich an,
Und fragte, was er meinte;
Da fiel der schöne junge Mann
Mir um den Hals, und weinte —

Das hat mir keiner noch getan,
Doch war mir's nicht zuwider,
Und meine beiden Augen sahn
Auf meinen Busen nieder.

Ich sagt' ihm nicht ein einzigs Wort,
Als ob ich's übel nähme,
Kein einzigs — und er flohe fort! —
Wenn er doch wieder käme!

Mathias Claudius


Damöt

Der liebenswürdige Damöt
Fand neulich mich allein
Und klagte, bis des Abends spät,
Mir seiner Liebespein!
Mein höchster Wunsch, sprach er, bist du...
Es ließ ihm gar zu schön,
Kam mein Mamachen nicht dazu,
So war's um mich geschehn.

Ich wollt' entfliehen, er stand still,
Nachseufzen hört' ich ihn!
Ich blieb: wen Amor halten will,
Kann der denn wohl entfliehen?
Mein höchster Wunsch, sprach er, bist du...
Es ließ ihm gar zu schön!
Kam mein Mamachen nicht dazu,
So war's um mich geschehn.

Johann Ludwig Wilhelm Gleim


Phyllis an Damon

Ja, liebster Damon, ich bin überwunden:
Mein Geist empfindet, was er nie empfunden;
Dein Harm, von dem dein Angesicht erbleichet,
                                                       hat mich erweichet.

Als ich die Hand jüngst, die dein Auge deckte,
Vorwitzig fortriß, Himmel, was erweckte
Dein schönes Auge, voller treuer Tränen,
                                                       mir nicht für Sehnen!

Ich floh und weinte. Wie ward mir zumute!
Ein heftig Feuer wallte mir im Blute.
Die Flammen werden unaufhörlich währen,
                                                       die mich verzehren.

Komm, treuster Damon, den ich mir erwähle!
Auf meinen Lippen schwebt mir schon die Seele,
Um durch die deinen unter Scherz und Küssen
                                                       in dich zu fließen.

Ewald von Kleist


 
Wunsch
 
Du holder Gott der süßen Lust auf Erden,
Der schönen Göttin schöner Sohn!
Komm, lehre mich die Kunst geliebt zu werden;
Die leichte Kunst, zu lieben, weiß ich schon.

Komm ebenfalls und bilde Phyllis' Lachen,
Cythere, gib ihr Unterricht;
Denn Phyllis weiß die Kunst, verliebt zu machen,
Die leichte Kunst zu lieben, weiß sie nicht.

Friedrich von Hagedorn


An eine Schläferin

Erwache, schöne Schläferin,
Falls dieser Kuß nicht zu bestrafen;
Doch, wenn ich dir zu zärtlich bin,
Schlaf, oder scheine mir zu schlafen.

Die Unschuld, die nur halb erwacht,
Wenn Lieb' und Wollust sie erregen,
Hat öfters manchen Traum vollbracht,
Den Spröde sich zu wünschen pflegen.

Was du empfindest ist ein Traum;
Doch kann ein Traum so schön betrügen?
Gibst du der Liebe selbst nicht Raum,
So laß dich dann ihr Bild vergnügen.

Friedrich von Hagedorn


Rosette

An Rosettens Blicken hangend,
Schmachtend, seufzend und verlangend,
Fleh' ich mit vergebner Müh':
Kannst du ewig meinen Klagen,
Meinen Tränen dich versagen?
Lohnst du meine Treue nie?

Aber immer unbeweglich
Hört das kalte Mädchen täglich
Meine Seufzer an und spricht:
Hoffnung nährt allein die Liebe!
Glaub', ich teilte deine Triebe,
Wünscht' ich ihre Dauer nicht!

Heinrich Christian Boie

Lithographie Fritzi Löw — Rosette


Der blöde Damon

Mein blöder Damon seufzt nur immer,
Spricht immer nur von seiner Qual.
Will immer wagen, waget nimmer;
Er wage doch einmal!

Johann Ludwig Wilhelm Gleim


Die versöhnte Daphne

Im schatten einer alten Eiche
Saß Daphne, da die Sonne wich;
Als in dem einsamen Gesträuche
Myrtill sich ihr zur Seite schlich.

Er will den Lilienhals umfassen,
Der seinen Küssen sich entzieht.
Nichts, leider! wird ihm zugelassen:
Sie rafft sich zornig auf und flieht.

Was wird von Schönen uns versaget,
Das kühne Schalkheit nicht erpreßt?
Da Daphne flieht und fliehend klaget,
Hält ihr Myrtill sie schmeichelnd fest.

Myrtill erzwingt von Daphne Küsse,
Die ihre Hand nur schwach bekämpft:
Denn ach! ein Kuß ist viel zu süße!
Ein Kuß hat manchen Zwist gedämpft.

Sie schlägt die Augen schamrot nieder:
Das blöde Mädchen tut sich Zwang
Und eifert auf gewisse Lieder,
Die jüngst Myrtill der Chloe sang.

Doch, fährt sie fort, um dir zu zeignen,
Daß ich mit dir nicht zürnen will,
Ich will zu neuem Frevel schweigen;
Küss' immer noch einmal, Myrtill!

Johann Peter Uz


 
Die lügenhafte Phyllis

Mein Damon spricht:
„Kind, lüge nicht!
Sonst werd' ich strafen müssen
Und dich zur Strafe küssen.“
Er droht mir, sieht verdrießlich aus
Und strafet mich schon im voraus.

Sonst log ich nicht,
Nur seit er spricht:
„Du sollst mir fein mit Küssen
Die losen Lügen büßen,“
Red' ich kein wahres Wörtchen mehr.
Nun, Schwestern, sagt, wo kömmt das her?

Lessing
 


An Phyllis

Phyllis, unter diesen Buchen
Will ich junge Veilchen suchen.
Komm und suche sie mit mir!
Müssen wir in finstern Gründen
Lange suchen, sie zu finden,
Dann so ruh' ich auch mit dir.

Johann Ludwig Wilhelm Gleim
 

Lithographie Fritzi Löw — An Phyllis


 
Annette an ihren Geliebten

Ich sah wie Doris bei Damöten stand,
Er nahm sie zärtlich bei der Hand.
Mit starrem Blick sahn sie einander an,
Und sahn sich um, ob nicht die Eltern wachen,
Und da sie niemand sahn,
Geschwind — jedoch genug — sie machten's, wie wir's machen.

Goethe
 


Ein Traum

O Traum, der mich entzücket!
Was hab' ich nicht erblicket!
Ich warf die müden Glieder
In einem Tale nieder.
Wo einen Teich, der silbern floß,
Ein schattiges Gebüsch umschloß.

Da sah ich durch die Sträuche
Mein Mädchen bei dem Teiche.
Das hatte sich, zum Baden
Der Kleider meist entladen
Bis auf ein untreu weiß Gewand,
Das keinem Lüftchen widerstand.

Der freien Busen lachte,
Den Jugend reizend machte.
Mein Blick blieb lüstern stehen
Bei diesen regen Höhen,
Wo Zephyr unter Lilien blies
Und sich die Wollust greifen ließ.

Sie fing nun an, o Freuden!
Sich vollends auszukleiden:
Doch eh es noch geschiehet,
Erwach' ich und sie fliehet.
O, schlief ich doch von neuem ein!
Nun, wird sie wohl im Wasser sein.

Johann Peter Uz

Lithographie Fritzi Löw — Ein Traum


Die Geliebte

Die ich mir zum Mädchen wähle
Soll von aufgeweckter Seele,
Soll von schlanker Länge sein.
Sanfte Güte, Witz im Scherze,
Rührt mein Herze;
Nicht ein glatt Gesicht allein.

Allzujung taugt nur zum Spielen!
Fleischigt sei sie anzufühlen,
Und gewölbt die weiße Brust.
Die Brünette soll vor allen
Mir gefallen:
Sie ist dauerhaft zur Lust.

Setzt noch unter diese Dinge,
Daß sie artig tanz' und singe:
Welches Mädchen ist ihr gleich?
O, ihr Mädchenkenner! saget:
Wer's erjaget,
Hat der nicht ein Königreich?

Johann Peter Uz
(Ouvres de Clement Marot, chanson 24)


 
Der verlorene Amor

Amor hat sich jüngst verlohren;
Und nun will, die ihn geboren,
Ihren Flüchtling wieder küssen;
Und man hat ihn suchen müssen.
In dem Schatten dunkler Linden,
Wo wir Dichter Amorn finden;
Unter froher Dichter Myrthen,
In den Städten, bei den Hirten,
Kann man nichts von ihm erfragen.
Mädchen! wollt ihr mir's nicht sagen?
Denn ihr hegt den Gott der Sorgen:
Hat er sich bei euch verborgen?
In den Rosen euer Wangen,
Die mit frischer Jugend prangen?
Oder auf den Lilienhügeln,
Wo der Gott mit leisen Flügeln
Sich schon öfters hingestohlen?
Darf ich suchen und ihn hohlen?

Johann Peter Uz
 

Lithographie Fritzi Löw — Der verlorene Amor

Chloris

Ein Heer von Liebesgöttern
Schwärmt' um die schöne Chloris
Und viele Götter flogen,
Nachdem sie genug geschwärmet,
In Chloris braune Locken,
Und schwebten mit den Locken;
Viel' in den Putz des Kopfes
Und auf des Hals's Perlen.
Zween saßen in den Augen
Und in den Augenbraunen
Versteckten sie die Bogen.
Zween andre schoßen Pfeile
Aus Grübchen in den Wangen.
Ein loser Gott flog abwärts
In ihres Busens Mitte,
Und sah herauf und sagte:
Wer sitzt von uns am besten?

Ewald von Kleist
(Nach dem Italienischen des Zappi)


Der Traum

Neben mir im Gras, ihr Brüder,
Ruhte jüngst mein Saitenspiel,
Und in sanfter Schlaf befiel
Meine müden Glieder.

Himmel! Eh' ich's mich versah,
Stand mein braunes Mädchen da,
Warf sich bei mir nieder.
Itzt mit nie gefühlter Luft
Drückt' ich sie an meine Brust,
Itzt entfloh sie wieder.
Brächte sie ein gleiches Glück
Mir in jedem Traum zurück,
Wüßt' ich nichts von Plage,
Schliefe ganze Tage

L. (Göttinger Musenalmanach 1772)


Klymene vor Gericht

Klymenen war das Bäuchelchen geschwollen;
Dies störete der guten Nymphe Ruh.
Der Ruf davon war überall erschollen;
Man führte bald sie Themis Tempel zu.

Hier schob sie nun die ganze Schuld Apollen,
Dem Schäfer des Admetus, in die Schuh.
Du hättest, sprach die Göttin, schreien sollen.
Gestehe mir die Wahrheit, schriest du?

Ach, seufzte sie, ich habe schreien wollen,
Allein ich kam vor Lachen nicht dazu.

Johann Nikolaus Götz
 


Belinde

Das letztere leichtflatternde Gewand
Sank; welch ein Blick! die artige Belinde
Ward um und um ein Spiel der sanften Winde,
Wo sie, wie Venus einst auf Ida stand.

Durch ihren Reiz, durch ihre zarte Hand,
Von der ich noch den sanften Scherz empfinde,
Durch alles, was an ihr mein Auge fand,
Floß in mein Herz das süße Gift der Sünde.

Erstaunt, entzückt, mir selber unbewusst,
Bemächtigte sich die Gewalt der Sinnen
Ach, allzubald der Tugend meiner Brust.

Du, der du sagst: Ich will den Sieg gewinnen,
Ach laß doch nie das süße Gift der Lust,
Laß es doch nie nach deinem Herzen rinnen!

Johann Ludwig Wilhelm Gleim


An die Laura

Der schwüle Tag hat sich verloren,
Die Nacht ist hier:
O, Laura! Was dein Mund geschworen,
Das halte mir.

Sieh jenes Dach von Rebenblättern,
Wo niemand lauscht,
Wo du mit mir, vor allen Göttern,
Dein Herz vertauscht.

In diese Laube laß uns schleichen,
Die Venus schützt,
Auf der (für uns zum guten Zeichen!)
Ihr Vogel sitzt.

Dann blicke Luna nach uns beiden
Von ihrem Thron,
Und seufze bei so viele Freuden:
Endymion!

Johann Nikolaus Götz

Lithographie Fritzi Löw — An die Laura


Auf Henriettens Brautbett

Sei immer stolz, beglücktes Bette!
Du hast das Herz der schönen Henriette;
Dich auszuschmücken ist ihr ganzer Geist bedacht.
Ihr muntrer Finger weilt auf deinem seidnen Rücken
Ein lebend Blumenfeld mit seltner Kunst zu sticken:
Mich aber nimmt sie nicht an ihrer Seit' in acht.
Doch jauchze nicht, daß sie dir jetzt den Vorzug gibet!
Daß sie so staunend sitzt, beweiset, daß sie liebet;
Und daß sie dich so schmückt, beweist, sie liebet mich.
Ich leugne nicht, ich muß dich jetzt beneiden:
Doch kömmt die Zeit, da du mich auch beneiden mußt,
Wenn du, jetzt Zeugin meiner Leiden,
Einst Zeugin wirst von meiner Lust.

Johann Nikolaus Götz


Gute Nacht

Gute Nacht!
Liebchen sieh, mit goldner Pracht
Rings umkränzt vom Heer der Sterne,
Blickt der Mond aus blauer Ferne
Traulich lächelnd auf uns zu:
Gute Nacht und süße Ruh'!

Gute Nacht!
Liebchen, ach wie schön vollbracht,
Unter Scherz und Tanz und Singen
Flog der Tag auf goldnen Schwingen
Den verschwundnen Tagen zu!
Gute Nacht und süße Ruh'!

Gute Nacht!
Wie mich das so fröhlich macht,
Daß ich weiß, du bist die Meine,
Daß ich weiß, ich bin der Deine,
Du und ich, und ich und du!
Gute Nacht und süße Ruh'!
Gute Nacht!

Gute Nacht!
Liebchen, ruft mich bald die Nacht,
Dir am Busen zu erwarmen?
Ach, wann schließt in meinen Armen
Sich dein blaues Auge zu?
Gute Nacht und süße Ruh'!

Siegfried August Mahlmann


Der Morgen

Auf! auf! weil schon Aurora lacht;
Ihr Gatten junger Schönen!
Ihr müßt nunmehr nach fauler Nacht,
Dem Gott der Ehe frönen.
Erneuert den verliebten Zwist,
Der süßer als die Eindracht ist,
Nach der sich Alte sehnen.

Ist's möglich, daß, geweckt von Lust,
Ein gatte nicht erwache?
Daß eine nahe Lilienbrust
Ihn nicht geschäftig mache?
Indes schwebt um der Gattin Haupt
Der Morgentraum, mit Mohn umlaubt;
Ihr träumt von eitel Rache.

Dort wo Cytherens waches Kind
Den schlaf vom Bette scheuchet,
Dort rauscht's, wie mann ein Morgenwind
Bethautes Laub durchstreichet.
Dort lauscht auch meine Muse nun,
Die, wie die Mädchen alle tun,
Verliebte gern beschleichet.

Der Vorhang weicht: welch reizend Weib!
Ich sehe Venus liegen,
Und leichten Flor den Marmorleib
Verräterisch umfliegen.
Wie sucht ihr Blick, der kriegrisch glüht,
Wie sucht er, wenn der Streit verzieht,
Streit, Gegner und Vergnügen.

Du itzo noch verliebtes Paar,
Was mangelt deinem Glücke?
Ich werde, selbst entzückt, gewahr,
Daß Hymen auch entzücke.
Die Muse sieht hinweg und weicht:
Doch manchmal und verstohlen schleicht
Ein halber Blick zurücke.

Johann Peter Uz

Lithographie Fritzi Löw — Der Morgen



 

Lithographie Fritzi Löw — Ernstgemeintes komisches Intermezzo

Vier Gedichte Christian Gottlob Stöckels, Stadtsekretärs zu Brieg und der Deutschen Gesellschaft zu Frankfurt an der Oder Mitglieds (Breßlau, verlegts Daniel Pietsch, Buchhändler, 1748)


Als sich Leonore im Gebirge aufhielt...
(Leonore Winkler, die Braut des Dichters)

Dir, entlegnes Wederau,
Will ich meine Lorchen gönnen:
Weil ich deinen Fluren trau',
Daß sie sie zwar reizen können,
Aber daß auch ihre Treu'
Vor Versuchung sicher sei.

Sicher? Nein, ich irre mich,
Nein, du artige Lorette!
Keiner Gegend trau' ich dich:
Daß ich nichts zu fürchten hätte,
Weil ein jeder, der dich sieht,
Sich um deine Gunst bemüht.

Deine reizende Gestalt...
Macht ein jedes Mannsbild lüstern.
Und gesetzt, dein Aufenthalt
Wäre bei den frömmsten Priestern:
O, die rege Zärtlichkeit
Trägt auch oft ein schwarzes Kleid.

Euch' ein unbewohntes Land!
Zeuch in wilde Wüsteneien!
Auch dein Eremitenstand
Wird mich nicht der Furcht befreien:
Daß vielleicht ein Pilgersmann
Deine Zell' entdecken kann.

Wirf den hellen Demantstein
In die finstersten Gewölber:
Dennoch wird er kennbar sein,
Denn sein Glanz verrät sich selber.
So verbirgt kein Ort noch Zeit
Deiner Anmut Seltenheit.

Dir, berufener Rübenzahl,
Schutzgott jener Riesenspitzen,
Dir befehl' ich, Berg und Tal,
Wald und Felder zu beschützen,
Wo sich mein entferntes Kind
Jetzund ohne mich befindt.

Gibt sich ein Verliebter Müh'
Sie zur Untreu' zu verführen,
So bewach' und schütze sie,
Daß sie keine Seufzer rühren.
Und zerschmettre dessen Haupt,
Welcher mir ihr Herze raubt.

Seh' ich nach bestimmter Zeit
Schlesiens Gefilde wieder,
Ätz' ich dir zur Dankbarkeit
Tausend wundervolle Lieder
In den härtsten Marmorstein
Des erhabnen Zotens ein.

Doch getreue Winklerinn!
Brauch' ich dich wohl zu bewachen?
Nein, dein tugendhafter Sinn
Kann dich selber sicher machen.
Deine Redlichkeit allein
Wird dein strengster Wächter sein.

Christian Gottlob Stöckel


An Leonoren
(Frankfurt a. d. O., den 12. Mai 1743)

Streicht, ihr sanften Abendwinde!
Nach dem edlen Breslau hin,
Meldet dem verlaßnen Kinde,
Meldet meiner Winklerin:
Meldet ihr, daß Stöckels Liebe
Zwar geschieden, doch getreu
Und daß ihrem zarten Triebe
Kein Entfernen schädlich sei.

Sagt, was mein gerechtes Sehnen
Vor gesalznes Wasser zieht,
Wie mein Auge voller Tränen
Schlesien von ferne sieht:
Wenn ich bei den grünen Kiefern
Auf des nächsten Berges Höh',
Ihr so Kuß als Blick zu liefern,
Traurig auf und nieder geh.

Seht ihr, daß auch ihr Verlangen
Nicht die Tränen bergen kann:
O, so haucht die nassen Wangen
Mit gelindem Sausen an.
Trocknet den gesalzten Regen,
Den die treue Wehmut reizt:
Daß sein Guß nicht meinetwegen
Die so zarte Haut durchbeizt.

Sprecht: Lorette, sei zufrieden!
Fleuch, was deine Brust betrübt.
Ist dein Stöckel gleich geschieden:
Gnug, daß er dich redlich liebt.
Schone doch die schönen Glieder,
Lorchen! schone sie für ihn:
Denn er kehrt in kurzem wieder,
Und die Zeit wird eilend fliehn.

Schau! so red' ich mit den Winden,
Ob sie mich gleich nicht verstehn,
Und ohn' einziges Empfinden
Durch die weiten Täler gehn.
Schau! so denkt mein treues Herze
Bei verlassner Einsamkeit,
Da das Schicksal meinem Schmerze
Keinen andern Trost verleiht.

In die Rinde glatter Bäume
Schneid' ich deinen Namen ein,
Da die beigefügten Reime
Deiner Liebe Denkmal sein.
Rauschen nun die grünen Wipfel
Von der sanft bewegten Luft,
Frag' ich oft des Berges Gipfel,
Ob mich deine Stimme ruft.

Vielmal ruf ich: Leonore!
Da denn durch den dichten Wald
Meinem zwar betrognen Ohre
Leonore widerschallt.
Leonore! ruf ich wieder,
Trifft mein heißes Wünschen ein?
Doch die Hoffnung sinkt bald nieder,
Denn der Widerschall spricht: Nein.

Zwar ich seh' schon durch dir Tannen
Des gehörnten Mondes Licht:
Wohl, so eil' ich denn von dannen,
Denn der Schließer wartet nicht.
Doch noch eines, eh ich scheide,
Gib, o Kind! in Breslau acht:
Du, die ich so schmerzlich meide,
Leonore, gute Nacht!

Christian Gottlob Stöckel


Die verstellte Sprödigkeit des schönen Geschlechts
(Ein Hochzeitsgedicht)

Ja, Schönen! unser Weltgebäude
Wird zeitig ohne Menschen sein:
Geht ihr nach dem gemeinen Eide
Kein zartes Liebesbündnis ein.
Doch nein, ihr Spröden, schwört nur immer,
Als rührt euch Amors Reizung nicht:
Man weiß, wie leicht ein Frauenzimmer
Dergleichen eitle Schwüre bricht.

Verbergt das innerliche Feuer
Nach eurer ausgelernten Kunst;
Bezeigt euch gegen jeden Freier,
Als rührt' euch keine Gegengunst.
Gefällt euch auch bisweilen einer,
So unterdrückt den stillen Brand;
Und sprecht: Mich überredt schon keiner,
Ich wähle mir den Nonnenstand.

Alsdann singt lauter Klosterlieder
Und stellt' euch so empfindlich an,
Als wär' euch jedes Wort zuwider,
Das euch zur Liebe reizen kann.
Vergleicht den Ehstand mit der Hölle,
Verflucht den kleinen Cypripor,
Und malt uns die verschloßne Zelle
Vergnügter als den Himmel vor.

Was gilt's, ihr werdet anders denken,
Als ihr uns überreden wollt?
Was gilt's, es mag euch heimlich kränken
Wenn ihr zu lange warten sollt?
Kein kluges Mannsbild kann euch glauben:
Warum? ihr laßt euch doch zuletzt
Die Freiheit mit Vergnügen rauben,
So hoch ihr sie mit Worten schätzt.

Zwar manche trotzt so lang im Scherze,
Bis sie im Ernste sitzen bleibt,
Und ihr sonst aufgeblähtes Herze
Die Nachreu zur Verzweiflung treibt.
Da fühlt sie denn ein heißes Sehnen
Nach der umsonst verstrichnen Zeit,
Und flucht mit tausend bittern Tränen
Der angenommnen Sprödigkeit.

Sie tritt vor den geschliffnen Spiegel,
Und sieht mit allzuspäter Reu,
Daß die Gestalt nicht ohne Flügel,
Sie aber ohne Reizung sei.
Da seufzt sie: Könnt' ich jetzt erfahren,
Was das erhitzte Fleisch und Blut
In feuerreichen Jugendjahren
Für angenehme Wirkung tut.

Zu spät, du selbstbetrogene Dirne!
Die Farbe deiner schlaffen Haut
Und deine runzelvolle Stirne
Macht dich jetzund nicht mehr zur Braut.
Geruch und Auge schätzt die Nelken
Solange sie vollkommen blühn:
Wenn aber ihre Blätter welken,
Wen wird ihr Anblick nach sich ziehn?

Du magst dich noch so feste schnüren,
Ein welker Apfel schmeckt uns nicht,
Dein matter Blick wird keinen rühren,
Indem ihm Glut und Reiz gebricht.
Und kriechst du in die schönsten Kleider,
Und trägst sie nach der neusten Dracht:
Hier fragt man nicht, wie dich der Schneider,
Nein, wie dich die Natur gemacht.

So schädlich wirkt, verschmitzte Schönen!
Bisweilen eure Sprödigkeit!
Darum laßt euch doch mit Myrten krönen,
Weil ihr noch jung und artig seid.
Gesetzt, ihr schwört' bei eurem Leben,
Ihr wollt beständig einsam sein:
Dergleichen Eid wird leicht vergeben,
Ihr könnt' ohn' alle Strafe frein.

Vergnügte Braut, du folgst dem Triebe,
Den uns der Himmel eingesenkt:
Drum hat dir auch die keusche Liebe
Den treusten Gegenstand geschenkt.
Du legst die Sprödigkeit beiseite,
Die Zärtlichkeit zwingt deine Brust:
Daher genießt und fühlst du heute
Die Reizung nie geschmeckter Lust.

Laß andre mit dem Kranze prahlen,
Wovon sie der Besitz verdrießt.
Sie trotzen auf die leeren Schalen,
Da deine Brust den Kern genießt.
Der Brautkranz ziert zwar deine Scheitel,
Und läßt dir auch vollkommen schön:
Jedoch sein grüner Schmuck ist eitel;
Die Haube wird dir besser stehn.

Gib acht, dein Schatz ist weggegangen,
Fort, folg' ihm auf dem Fuße nach!
Mich deucht, sein zärtliches Verlangen
Winkt dir in jenes Schlafgemach.
O, welch ein reizendes Entzücken
Entgeistert hier dein treues Herz!
O, könnt' ich durch den Vorhang blicken,
Wie lebhaft malt' ich euren Scherz!

Doch nein. Hier braucht ihr keine Zeugen,
Was die verliebte Sehnsucht tu:
Beglücktes Paar! Drum will ich schweigen,
Scherzt nur in ungestörter Ruh.
Scherzt bis der Glanz vom andern Tage
Den dunklen Wahlplatz helle macht,
Daß man nach vierzig Wochen sage:
Die haben nicht umsonst gewacht.


Christian Gottlob Stöckel

 

Lithographie Fritzi Löw — Die verstellte Sprödigkeit des schönen Geschlechts


An die Phyllis

Phyllis, bist du denn vergebens
Zart und feurig, jung und schön?
Soll der Frühling deines Lebens
Ungebraucht vorübergehn?
Fliehst du wirklich von Natur
Zarter Neigung edle Spur?

Nein, du fühlst, was andre fühlen,
Leugne nicht die innre Glut:
Bloß aus Sehnsucht sich zu kühlen
Wallt dein aufgebrachtes Blut,
Daß es oft zu schnell bewegt
Durch die feinen Adern schlägt.

Nicht umsonst hat dir die Schickung,
Kind, die Menschheit anvertraut,
In der Sterblichen Entzückung
Bist du nicht allein gebaut;
Nein, des Himmels weiser Schluß
Macht die Schönheit zum Genuß.

Augen voller Geist und Leben,
Wangen, die ihr Purpurblut
Durch des Grübchens Reiz erheben,
Wenn dein Scherzen freundlich tut;
Holde Lippen, dunkles Haar,
Alles stellt dich reizend dar.

Schätzt die Wahrheit noch so teuer,
Strengen Richter von Athen!
Sollte Phyllis ohne Schleier
Als Beklagte vor euch stehn:
Phryne würde nicht allein
Eures Urteils Vorwurf sein.

Zwar nicht pöbelhafte Triebe
Fordert Damons Wunsch von dir:
Nein, so feurig ich dich liebe,
Schlägt ein edles Herz in mir;
Und mein dir geweihtes Blut
Wallt nicht von verbotner Glut.

Nur dein sträfliches Entschlüssen,
Nur dein ketzerischer Schwur,
Der dir nächst bei meinen Küssen
Von erzürnten Lippen fuhr
Ewig ungerührt zu sein,
Geht mir zu empfindlich ein.

Denk, erbostes Kind, zurücke,
Geht's nicht schon ins andre Jahr,
Da das Feuer deiner Blicke
Meines Herzens Zunder wahr,
Als Philanders Hochzeitnacht
Mich mit dir bekannt gemacht?

Fast der Inhalt alle Lieder,
Die dein Damon aufgesetzt,
Ist die Schönheit deiner Glieder,
Die ein jedes Aug' ergötzt:
Doch noch mehr dein heitrer Geist,
Der die Seelen an sich reißt.

Treschen kann an mancher Rinde
Deinen schönen Namen sehn;
Und so oft die sanften Winde
Durch die glatten Buchen wehn,
Wird auch mancher Stamm bewegt,
Welcher dein Gedächtnis trägt.

Lies die redlichen Gedichte,
Die dein Schranken in sich schließt:
Lies, o Phyllis, lies und richte,
Ob du billig spröde bist?
Lies, ob die geschworne Treu
Nicht ein Kind der Tugend sei?

Doch sobald du sie gelesen,
Opfre sie dem heißen Herd,
Daß, wie mich dein sprödes Wesen,
Sie die lichte Glut verzehrt;
Oder wirf den harten Sinn
Überzeugt statt ihrer hin.

Kann auch ich dich nicht bewegen,
Scheint dir Damon nur zu schlecht:
O! so handle seinetwegen
Gegen dich nicht ungerecht.
Daß dich dein verwegner Eid
Nicht einmal zu spät gereut.

Laß dich einen andern lieben,
Banne mich aus deiner Brust;
Wenn ich erst darein geschrieben,
Phyllis, denke, was du tust;
Denn es liebt dich sicherlich
Keiner so getreu als ich.

Mein Gemüte wird indessen
Deines Herzens Marmorart
Bis zum Grabe nicht vergessen,
Das einmal den Leib verwahrt,
Der aus zärtlichen Verdruß
Noch so zeitig modern muß.

Trägt dich denn dein Fuß bisweilen
Über meine kühle Gruft,
Darfst du nicht von dannen eilen,
Wenn dich ein Gepolter ruft,
Und mein Schatten zu dir spricht:
Rührt dich Damons Asche nicht?

Christian Gottlob Stöckel
 

Lithographie Fritzi Löw — Souvenir


Die schlafende Laura

Nachlässig hingestreckt,
Die Brust mit Flor bedeckt,
Der jedem Lüftchen wich,
Das säuselnd ihn durchstrich,
Ließ unter jenen Linden
Mein Glück mich Lauren finden.
Sie schlief, und weit und breit
Schlug jede Blum' ihr Haupt zur Erden,
Aus mißvergnügter Traurigkeit,
Von Lauren nicht gesehn zu werden.
Sie schlief, und weit und breit
Erschallten keine Nachtigallen
Aus weiser Furchtsamkeit,
Ihr minder zu gefallen,
Als ihr der Schlaf gefiel,
Als ihr der Traum gefiel,
Den sie vielleicht jetzt träumte,
Von dem, ich hoff' es, träumte,
Der staunend bei ihr stand,
Und viel zu viel empfand,
Um deutlich zu empfinden,
Um noch es zu empfinden,
Wie viel er da empfand.
Ich ließ mich sanfte nieder,
Ich segnete, ich küßte sie,
Ich segnete, und küßte wieder:
Und schnell erwachte sie.
Schnell taten sich die Augen auf.
Die Augen? — nein, der Himmel tat sich auf.

Lessing

Lithographie Fritzi Löw — Die schlafende Laura


Mein frommes Mädchen...

Mein frommes Mädchen ängstigt sich,
Wenn ich zu viel verlange.
Die Angst der Armen macht, daß ich
Von Herzen mir erbange.

Schwebt unversucht alsdann vor mir
Der Wollust süße Angel,
So härmt sie sich noch ärger schier
Und wähnet Liebesmangel.

So, hier und dort gebracht in Drang,
Ersticken unsre Freuden.
O Liebe, löse diesen Zwang
An einem von uns beiden!

Gib, daß sie mich an Herz und Sinn
Zum Heiligen bekehre,
Wo nicht, daß sie als Sünderin
Des Sünders Wunsch erhöre!

Gottfried August Bürger


Abendphantasie eines Liebenden

In weiche Ruh' hinabgesunken,
Unaufgestört von Harm und Not,
Vom süßen Labebecher trunken,
Den ihr der Gott des Schlummers bot,
Wohl eingelullt vom Abendliede
Der wachen Freundin Nachtigall
Schläft meines Herzens Adonide
Nun ihr behaglich Schläfchen all.

Wohlauf, mein liebender Gedanke,
Wohlauf, zu ihrem Lager hin!
Und webe gleich der Eppichranke,
Dich um die traute Schläferin!
Geneuß der übersüßen Fülle
Von aller Erdenseligkeit,
Wovon zu kosten noch ihr Wille,
Und ewig ach! vielleicht verbeut! ...

Ahi! da hör' ich das Gesäusel
Von ihrem Schlummerodem wehn;
Wie Schmeichellüftchen durchs Gekräusel
Des Maienlaubes leise gehn.
Ahi! da hör' ich das Gestöhne,
Das Wollust aus dem Busen stößt;
Wie Bienensang und Schilfgetöne,
Wenn Abendwind dazwischen bläst.

O, wie so schön dahingegossen
Umleuchtet sie des Mondes Licht!
Die Blumen der Gesundheit sprossen
Auf ihrem wonnigen Gesicht.
Die Arme liegen ausgeschlagen,
Als wollten sie, mit Innigkeit,
Um den den Liebesknoten schlagen,
Dem sie im Traume ganz sich weiht. —

Nun kehre wieder! Nun entwanke
Dem Wonnebett! du hast genug!
Sonst wirst du trunken, mein Gedanke,
Sonst lähmt der Taumel deinen Flug.
Du loderst auf in Durstesflammen! —
Ha! wirf ins Meer der Wonne dich!
Schlagt, Wellen, über mich zusammen!
Ich brenne! brenne! kühlet mich!

Gottfried August Bürger


Die beiden Liebenden

Ein andrer werb um Ehr' und Gold!
Ich werb um Wollust bei Selinden.
Mich kann nur süßer Minnesold
An allgetreue Dienste binden.
Das Glück läßt manchen Ehrenmann
In seinem Dienst umsonst verderben;
Allein bei trauter Minne kann
Der Hirt auch sichern Sold erwerben.

Ich bin kein großer reicher Herr
Und sie ist keine hohe Dame.
Dagegen klingt viel reizender
Ein kurzer schäferlicher Name.
Dagegen herzen wir uns frei,
Sind sicher vor Verrätertücken,
Auch schielet keine Spötterei,
Wann wir uns Knie und Hände drücken.

Der Prunk der hochstaffierten Kunst,
Selbst die Natur im Feierkleide
Erbuhlen selten meiner Gunst;
Denn sie beschämt an Reizen beide.
Das tausendstimmige Konzert
Der Lerchen und der Nachtigallen
Ist mir kaum halb so lieb und wert,
Wann ihre Solotriller schallen.

Im Denken ist sie Pallas ganz
Und Juno ganz am edlen Gange,
Terpsichore beim Freudentanz,
Euterpe neidet sie im Sange;
Ihr weicht Aglaja, wann sie lacht,
Melpomene bei sanfter Klage,
Die Wollust ist sie in der Nacht,
Die holde Sittlichkeit bei Tage.

Des Morgens, welch ein Malerbild!
Wallt sie hervor in leichtem Kleide,
Noch ungeschnürt und halb verhüllt
Nur in ein Mäntelchen von Seide.
Entringelt auf die Schulter sinkt
Die Hälfte goldner Locken nieder.
Wie dann ihr rasches Auge blinkt,
So blinkt das Licht aus Quellen wieder.

Natur und Einfalt helfen ihr,
An ihrem kleinen Morgentischchen.
Des Busens und des Hauptes Zier
Sind Ros' und Myrt' in einem Büschchen.
Zu ihren Wangen wurde nie
Ein Pinsel in Karmin getauchet;
Und doch, wie Rosen blühen sie,
Von Frühlingsodem aufgehauchet.

Wann sie an ihrem Tischchen sitzt,
So werd' ich scherzend hingewinket:
„Komm, schmücke selbst dein Mädchen itzt,
Wie deiner Laun' am besten dünket!“
Und mich beflügelt ihr Gebot,
Sie unvermutet zu umfangen.
Dann schminkt mit hohem Morgenrot
Mein Kuß die jugendlichen Wangen.

Ihr Haar im Nacken reizet mich
Zu hundert kleinen Torenspielen.
Fast nimmer müde läßt es sich
In diesen seidnen Locken wühlen.
Sie äugelt nach dem Spiegel hin,
Und lauschet meine Neckereien.
Sie schilt, daß ich ein Tändler bin,
Und freut sich doch der Tändeleien.

Drauf leg' ich ihr die Schnürbrust an.
Vor Wonne beben mir die Hände.
Das Band zerreißt, so oft es kann,
Damit die Arbeit später ende.
Wie flink bin ich nicht stets bereit,
So liebe Dienste zu verrichten!
Doch flinker noch zur Abendzeit,
Das Werk des Morgens zu zernichten.

Nun schlinget meine kühne Hand —
O Liebe, Liebe, welche Gnade! —
Ein sanft geflammtes Rosenband
Ihr zierlich zwischen Knie und Wade.
Wie mir das Blut zu Herzen stürzt!
Nicht schöner wies sie Atalante,
Da sie ums Jawort, hochgeschürzt,
Mit ihren Freiern wetterannte.

Nun schwebt die Grazie vor mir,
Schlägt mit den Silberfüßchen Triller,
Und tanzet hin an das Klavier
Und singt ein Lied, nach Weiß, von Miller.
Mit welcher Wollustfülle schwellt
Mein Herz der Zauber ihrer Kehle!
Hinweg aus aller Gotteswelt,
Gen Himmel singt sie meine Seele.

Der Morgen eilt, man weiß nicht wie?
Zur Mahlzeit ruft die Küchenschelle.
Ihr gegenüber, Knie an Knie,
Und Fuß an Fuß, ist meine Stelle.
Hier treiben wir's wie froh und frei!
Uns fesselt kein verwünschter Dritter.
Die beste Fürstenschmauserei
Ist gegen solch ein Schmäuschen bitter.

Selinde schenkt mir Nektar ein,
Erst aber muß sie selber nippen.
Hierauf kredenzet sie den Wein
Mit ihren süßen Purpurlippen.
Der Pfirsich, dessen zarter Flaum
Ihr reiner Perlenzahn verwundet,
Wie lüstern macht er Zung' und Gaum'!
Wie süß mir dieser Pfirsich mundet!

Nach Tische läßt auf ihrer Brust
Mein hingesunknes Haupt sich wiegen.
Von Wein berauschet und von Lust,
Will schier die Sprache mir versiegen.
Ein volles Herz gibt wenig Klang;
Das leere klingt aus allen Tönen.
Sie fühlet dennoch seinen Drang;
Und ach! versteht sein stummes Sehnen.

Jetzt wird Selinden bang ums Herz —
Ein Mädchen ist ein banges Wesen.
Sie reichet mir, aus losem Scherz,
Verwirrten Zwirn, ihn aufzulösen.
Zwar findet sie mich ungeschickt,
Doch sucht sie mich nur hinzuleiern.
O List! Indem sie her sich bückt,
Muß sich ihr Busen selbst entschleiern.

Ein schlauer Blick wird hingewandt;
Allein der Dieb läßt sich betreten.
Ein Streich von ihrer weichen Hand
Rächt auf der Stell' ihr Schamerröten.
Dann rückt sie weg und spricht nicht mehr;
Bedeckt ihr Auge; macht die Blinde;
Lauscht aber durch die Finger her,
Ob ich die Kränkung wohl empfinde?

Dann spiel' ich einen Augenblick,
Doch nur verstellt, den Tiefbetrübten;
Und sie, o Wonne! springt zurück,
Versöhnt sich mit dem Vielgeliebten!
Umhalset ihn, weiß nicht genug
Mit süßen Namen ihn zu nennen,
Und Mund und Wange, die sie schlug,
Fühlt er von tausend Küssen brennen.

Wohl hundert Launen, kraus und hold,
Umflattern täglich meine Traute.
Bald singt und lacht, bald weint und schmollt,
Bald klimpert sie auf ihrer Laute,
Tanzt hin und wieder, blitzgeschwind,
Bringt bald ein Büchelchen, bald Karten,
Bald streut sie alles in den Wind,
Und eilt hinunter in den Garten.

Ich hinterher, ereile sie
In einer sichern, stillen Grotte.
Freund Amor treibt, sie weiß nicht wie?
Sie tief ins Dunkel. Dank dem Gotte!
Sie bebt von meinem Arm umstrickt,
Mein Kuß erstickt ihr letztes Lallen.
Sie sinkt. Ich halte sie entzückt,
Und — halt! — und lasse sie nicht fallen.

Gottfried August Bürger

Lithographie Fritzi Löw — Die beiden Liebenden


Der Besuch

Meine Liebste wollt' ich heut beschleichen,
Aber ihre Türe war verschlossen.
Hab' ich doch den Schlüssel in der Tasche!
Öffn' ich leise die geliebte Türe!

Auf dem Saale fand ich nicht das Mädchen,
Fand das Mädchen nicht in ihrer Stube,
Endlich, da ich leis' die Kammer öffne,
Find' ich sie gar zierlich eingeschlafen,
Angekleidet auf dem Sofa liegen.

Bei der Arbeit war sie eingeschlafen;
Das Gestrickte mit den Nadeln ruhte
Zwischen den gefaltnen zarten Händen;
Und ich setzte mich an ihre Seite,
Ging bei mir zu Rat, ob ich sie weckte.
Da betrachtet' ich den schönen Frieden,
Der auf ihren Augenlidern ruhte:
Auf den Lippen war die stille Treue,
Auf den Wangen Lieblichkeit zu Hause,
Und die Unschuld eines guten Herzens
Regte sich im Busen hin und wieder.
Jedes ihrer Glieder lag gefällig
Aufgelöst vom süßen Götterbalsam.
Freudig saß ich da, und die Betrachtung
Hielte die Begierde, sie zu wecken,
Mit geheimen Banden fest und fester.

O, du Liebe, dacht' ich, kann der Schlummer
Der Verräter jedes falschen Zuges,
Kann er dir nicht schaden, nichts entdecken,
Was des Freundes zarte Meinung störte.

Deine holden Augen sind geschlossen,
Die mich offen schon allein bezaubern;
Es bewegen deine süßen Lippen
Weder sich zur Rede noch zum Kusse;
Aufgelöst sind diese Zauberbande
Deiner Arme, die mich sonst umschlingen,
Und die Hand, die reizende Gefährtin
Süßer Schmeicheleien, unbeweglich.
Wär's ein Irrtum, wie ich von dir denke,
Wär' es Selbstbetrug, wie ich dich liebe,
Müßt ich's jetzt entdecken, da sich Amor
Ohne Binde neben mich gestellet.

Lange saß ich so und freute herzlich
Ihres Wertes mich und meiner Liebe;
Schlafend hatte sie mir so gefallen,
Daß ich mich nicht traute, sie zu wecken.

Leise leg' ich ihr zwei Pomeranzen
Und zwei Rosen auf das Tischchen nieder;
Sachte, sachte schleich' ich meiner Wege.
Öffnet sie die Augen, meine Gute,
Gleich erblickt sie diese bunte Gabe,
Staunt, wie immer bei verschlossnen Türen
Dieses freundliche Geschenk sich finde.

Seh' ich diese Nacht den Engel wieder,
O, wie freut sie sich, vergilt mir doppelt
Dieses Opfer meiner zarten Liebe.

Goethe
 

Lithographie Fritzi Löw — Der Besuch


Brautnacht

Im Schlafgemach, entfernt vom Feste,
Sitzt Amor dir getreu und bebt,
Daß nicht die List mutwill'ger Gäste
Des Brautbetts Frieden untergräbt.
Es blinkt mit mystisch heil'gem Schimmer
Vor ihm der Flammen blasses Gold;
Ein Weihrauchswirbel füllt das Zimmer,
Damit ihr recht genießen sollt.

Wie schlägt dein Herz beim Schlag der Stunde,
Der deiner Gäste Lärm verjagt;
Wie glühst du nach dem schönen Munde,
Der bald verstummt und nichts versagt!
Du eilst, um alles zu vollenden
Mit ihr ins Heiligtum hinein;
Das Feuer in des Wächters Händen
Wird, wie ein Nachtlicht, still und klein.

Wie bebt vor deiner Küsse Menge
Ihr Busen und ihr voll Gesicht!
Zum Zittern wird nun ihre Strenge,
Denn deine Kühnheit wird zur Pflicht.
Schnell hilft dir Amor, sie entkleiden,
Und ist nicht halb so schnell als du;
Dann hält er schalkhaft und bescheiden
Sich fest die beiden Augen zu.

Goethe


Herausgegeben von Victor Fleischer
Von diesem Buche wurde eine einmalige numerierte Vorzugsausgabe in 85 Exemplaren hergestellt, die Bilder auf Japanpapier, in handgearbeiteten Seidenbänden, und von Fritzi Löw handschriftlich gezeichnet.

Druck: Christoph Reißer's Söhne in Wien



Laatste wijziging 16 Juli 2010

Terug